Wildbienen im Gespräch: Warum viele Nisthilfen unbrauchbar sind – und was die Menschen besser machen können

 

Redaktion: Guten Tag, liebe Wildbienen. Ich freue mich, dass Sie heute hier sein können. Ganz Deutschland setzt inzwischen auf den Wildbienenschutz. Überall wird gesägt und gebohrt, jeder Baumarkt verkauft pro Woche dutzende Nisthilfen. Eine tolle Entwicklung, oder?

Blaue Holzbiene: Ja, auf der einen Seite freuen wir uns natürlich, das ist klar. Man will uns schützen, will uns Gutes tun, das ist ja an sich sehr positiv. Nur sehen Sie, wenn ich als Biene beispielsweise einem Menschen helfen will, zum Beispiel in Köln, von wegen Wohnungsnot. Und ich mich nicht richtig informiere, was ein Mensch so braucht. Ja, dann gebe ich ganz viel Geld aus, baue ein tolles mehrstöckiges Haus, mit vielen Zimmern und richtig gemütlich. Die einzige Eingangstür baue ich schön einladend ins Dach, weil ich annehme, dass das na klar der beste Ort ist. Dabei habe ich dann leider übersehen, dass Menschen nicht fliegen können.

Redaktion: … also Sie wollen sagen, dass viele Nisthilfen Ihnen gar nicht recht helfen, weil sich die Menschen zu wenig informieren?

Gehörnte Mauerbiene: Ja, genau, das ist dann schon manchmal hart, das mitanzusehen. Zum Beispiel gibt es Nisthilfen, teure, große Nisthilfen, die komplett dunkel und Richtung Norden gerichtet sind. Oder ganz unsauber gebohrte Löcher mit raspeligen Kanten. Wenn wir da ein paarmal rein und raus sind, haben wir uns die Flügel kaputtgerissen. Oder noch gemeiner: Es sieht alles scheinbar gut und stabil aus, man legt seine Eier ab, sammelt tagelang Pollen und Nektar, die Larven entwickeln sich … ein halbes Jahr geht alles gut … und dann plötzlich läuft der Gang mit Harz voll, schimmelt oder quillt auf und erdrückt die gesamte Brut. Das ist so frustrierend.

Redaktion: … eigentlich doch auch frustrierend für die Menschen, die das gebaut haben, wenn die merken, dass es nicht funktioniert…

Blaue Holzbiene: … Um auf das Beispiel vom Haus mit der Tür im Dach zurückzukommen … wenn ich als Biene nicht weiß, dass Menschen nicht fliegen können und auch nicht richtig gucke, ob jemand einzieht, fühle ich mich trotzdem als Menschenschützer …

Redaktion: …. Weil ich einfach annehme, dass diese schönen Häuser bewohnt sein müssen!

Blaue Holzbiene: Genau! Hinzu kommt, dass es immer wieder einzelnen, gut kletternden Menschen gelänge, diese Häuser zu bewohnen. Es würden zwar auch täglich welche abstürzen und sterben, aber nicht alle. Manche Bienen würden also Menschen in den Häusern sehen und sich zufrieden zurücklehnen …

Redaktion: … oder schlimmer noch: in Massenproduktion gehen!

Gehörnte Mauerbiene: Gruselig, oder? Aber so ähnlich fühlen wir uns manchmal. Die Menschen sehen zugemauerte oder von Harz verklebte Niströhren und denken sich: es hat ja alles prima geklappt! Nun ja, ein paar Bienen schaffen es vielleicht trotzdem. Aber mit ein bisschen mehr Wissen ließe sich die Erfolgsrate verhundertfachen!

 

Frühlings-Pelzbiene: In meinem Lebensraum gibt es gerade folgendes Phänomen: Immer wieder werden mit hohem Aufwand große sogenannte Weidenflechtwände aufgebaut, mit außen herum Lehm, in das Strohhäcksel gemischt wurden. Richtig teuer. Dann kommst du da an und freust dich erstmal. Fliegst näher an die Steilwand und hast schon ein komisches Gefühl. Fängst kurz an zu graben und merkst: Stroh! Dann kehrst du sofort um. Aber auch wenn du Glück hast und zufällig kein Stroh im Weg ist: plötzlich triffst du auf einen Weidenast und musst abbrechen. Leider sind diese Wände völlig ungeeignet zur Anlage von Brutgängen. Wir können uns durch Löß „graben“, aber nicht durch Holz!

Blaue Holzbiene: Selbst ich, die so ziemlich einzige Wildbiene in Europa, die sich durch Holz bohren kann, schaffe das nur bei Totholz.

Redaktion: Dabei macht die Wand auf mich als Laien einen richtig professionellen Eindruck.

Frühlings-Pelzbiene: Auch wir Bienen lassen uns ab und an täuschen. Deshalb ist da auch immer mal wieder Betrieb. Stellen Sie sich vor: ein wunderschönes Haus, mitten im Agnesviertel, einzugsfertig. Und dann gehen Sie da hin, machen die Tür auf und dahinter: eine Mauer. Der ganze Hohlraum zugemauert. Zugang nicht möglich. Da würden Sie auch denken: Hätten die Bienen doch vorher ein bisschen nachgelesen!

Blaue Holzbiene: Und dann würde eine ungeübte Biene immer wieder Menschen kommen und gehen sehen und sich denken: Mann ist da ein Betrieb, es läuft hier richtig gut!

Gehörnte Mauerbiene: Toll sind auch Nisthilfen aus dem Baumarkt, in denen man gleich neben unseren Nistgängen noch Ohrenkneifer ansiedeln möchte. Warum, frage ich mich? Damit die meinem Nachwuchs den Pollen klauen? Das wäre ja, wie wenn wir neben einem Menschenhaus ein Quartier speziell für Ratten, Bären oder Wildschweine anlegen würden.

Die komischen Kiefernzapfen schaden uns wenigstens nicht, das ist dann egal. Vielleicht hat das was mit der Religion der Menschen zu tun.

Redaktion: Mir ist nicht bekannt, dass Kiefernzapfen religiös besetzt sind, aber wer weiß…Auf einen anderen wichtigen Punkt möchte ich noch zu sprechen kommen: Neben Nistplätzen ist ja auch Nahrung sehr wichtig.

Frühlings-Pelzbiene: Ja, das ist sehr wichtig. Je weiter wir fliegen müssen, um Nahrung zu finden, desto größer ist die Gefahr, dass sich in der Zwischenzeit Parasiten einschleichen und die Brut schädigen. Stellen Sie sich vor, das tollste Haus, aber mitten im nahrungsfreien Raum, weit und breit keine Einkaufsmöglichkeit. Und wenn Sie dann nach einer Woche mit vollem Rucksack wieder zurück sind, hat man ihre Familie entführt und das Haus geplündert.

Redaktion: Also würden Sie den Menschen empfehlen, mit jeder angelegten Nisthilfe auch Futter anzupflanzen?

Glockenblumen-Scherenbiene: Unbedingt. Und nicht nur das: es kommt auch darauf an, was genau gepflanzt wurde. Ein paar Bienen sind ja bei der Blütenwahl sehr flexibel, aber einige von uns sind sehr spezialisiert. Da ist es dann nicht egoistisch wenn ich sage: Menschen, pflanzt Glockenblumen! Dann haben viele verschiedene Bienen etwas davon, nicht nur ich. Aber ich besuche eben ausschließlich Glockenblumen.

 

 

Redaktion: Stimmt, es gibt ein paar Pflanzenarten, die in dieser Hinsicht besonders wichtig sind. Auch ein wichtiges Kapitel, in das es sich einzulesen lohnt. Wir kommen langsam zum Ende unserer Runde. Eine Frage ist natürlich jetzt sehr wichtig: Was würden Sie denn abschließend Menschen raten, die sich für die Wildbienen engagieren möchten?

Blaue Holzbiene: Zuerst einmal: Nicht gleich losziehen und kaufen oder losbauen, sondern: Zeit einplanen, um sich im Vorfeld zu informieren. In Geschäften wird leider noch immer viel teurer Unsinn verkauft. Aber es gibt ein paar richtig gute Broschüren und Websites. Und da sollte man wirklich auf die Experten hören und nicht auf eigene Theorien und Beobachtungen ...

Redaktion: Wie das zugemauerte Haus, vor dem es vor Menschen nur so brummt …

Glockenblumen-Scherenbiene: Wenn dann erst einmal etwas Falsches oder halb-Falsches im Garten steht und man sieht, es ist eine Nisthilfe, die problematisch ist oder einfach nicht gut funktioniert. Und man versucht das dem Besitzer mitzuteilen, trifft man oft auf taube Ohren. Viele wissen auch gar nicht, dass bei guten Nisthilfen ein Besatz von 100 Prozent möglich ist. Es wird dann gesagt, wie gut die Nisthilfe trotz allem funktioniert, das hätte man genau beobachtet. Selten tauscht so jemand seine Nisthilfe aus. Manche gehen sogar mit fragwürdigen Bauwerken in die Massenproduktion!

Gehörnte Mauerbiene: Stellen Sie sich vor, Sie als studierte Menschenforscherbiene würden versuchen, einer Biene das mit der fehlenden Tür am Boden zu erklären. Und diese Biene würde Ihnen antworten, dass sie sich nicht auf „harte wissenschaftliche Fakten“, sondern auf eigene Beobachtungen stütze. Die Menschen würden ihrer Meinung nach gerne in den türlosen Häusern wohnen, und die Sterberate sei viel geringer als bei den Wohnungslosen.

Redaktion: Oh je, wie furchtbar!

Gehörnte Mauerbiene: Ja, wie ich schon sagte: es freut uns Bienen sehr, dass die Menschen uns helfen möchten. Aber bei manchen Menschen und manchen Händlern müssen wir uns fragen, ob es ihnen eigentlich um uns Bienen geht oder um ein gutes, schön dekoriertes Gefühl im Garten. Richtiges Interesse sieht für mich so aus: Ich informiere mich genau über das Tier, welches ich schützen möchte und versuche dann, dem möglichst gerecht zu werden. Und ich bin sehr vorsichtig, was die voreilige Deutung von Beobachtungen anbetrifft.

Glockenblumen-Scherenbiene: Hier würde ich mir insgesamt weniger Sturheit und mehr Offenheit von den Menschen wünschen. Was spricht denn dagegen, die alte Nisthilfe gegen eine bessere auszutauschen, wenn ich etwas Neues dazulerne? Ihre Smartphones wechseln die Menschen doch auch alle paar Jahre.

Blaue Holzbiene: Wie bereits erwähnt, und das kann ich gar nicht oft genug erwähnen … ich rate dringend dazu, hier auf die Wildbienenspezialisten zu hören. Was ist denn so schlimm daran, dass sich jemand intensiv-gewissenhaft-wissenschaftlich mit einem Thema befasst hat? Ist das nicht im Gegenteil eine große Bereicherung? Die Menschen haben das enorme Glück, nicht jeden Tag das Rad von neuem erfinden zu müssen, sondern sie können auf eine lange Wissenschaftstradition zurückgreifen.

Sie würden ja auch nicht auf die Idee kommen, die Statik einer Brücke mit dem Geodreieck nachzumessen, bevor sie drüber gehen. Vertrauen Sie den Experten, die es ernst meinen und hören Sie auf diese.

Glockenblumen-Scherenbiene: Vielleicht hilft es zusätzlich, wenn wir in Zukunft nicht mehr von Insektenhotels sprechen. Diese stehen in der Regel für falsch gebaute komische Kästen. Wenn da wer einzieht, wäre das oftmals eine biologische Attraktion. Verwenden wir lieber das Wort Wildbienennisthilfen. Denn um uns geht es in der Hauptsache, wir Wildbienen sollen mit den Nisthilfen geschützt werden. Unter diesem Begriff findet man im Onlinehandel viel Brauchbares.

Redaktion: Viele Menschen sind vielleicht abgeschreckt, wenn sie nicht gleich loslegen können. Haben Sie denn einen Tipp für etwas, das sich ohne viel Aufwand und Recherche machen lässt?

Maskenbiene: Ja, es gibt eine ganz schnelle Variante für Wildbienen, die sich in markhaltige Stängel graben. Brombeerstängel! Man schneide einen etwas dickeren Stängel ab, so etwa 50 cm lang. Diesen befestige man senkrecht, beispielsweise an einen Zaun oder am Balkon. Es können auch mehrere Stängel nebeneinander, mit kleinem Abstand, befestigt werden. Eine ganz einfache Sache, die man auch mit Kindern schnell bauen kann.

Redaktion: Danke für den Tipp. Für alle, die jetzt neugierig geworden sind, was die komplizierteren Nisthilfen anbetrifft: Wären Sie so nett und würden uns ein paar erste Quellen geben?

Zaunrüben-Sandbiene: Ja, gerne. Am besten mit Wildbienen kennt sich vermutlich Paul Westrich aus, der ist ein sehr erfahrener Wildbienenforscher und -kenner. Jetzt ist auch ein neues Buch von ihm herausgekommen: Die Wildbienen Deutschlands. Dann gibt es auch noch Literatur speziell über Nisthilfen: Eine leserfreundliche und übersichtliche Broschüre kann man für einen kleinen Beitrag Beim BUND Rotenburg bestellen, sie heißt: „Gefährdete Wildbienen. Nisthilfen bauen und Lebensräume schaffen“.

Werner David hat eine sehr informative Website und ein kurzweiliges Buch zum Thema geschrieben. Volker Fockenberg baut nicht nur schon seit Jahrzehnten Nisthilfen, er hat auch eine informative Website und bietet selbst Fortbildungen an.

Gehörnte Mauerbiene: Die Nisthilfen vom Wildbienenschreiner finde ich besonders ansprechend. Man muss da aber sehr schnell sein, sonst ist jedes Loch belegt.

Redaktion: Gibt es jetzt noch etwas Wichtiges, was wir vergessen haben?

Zaunrüben-Sandbiene: Vielleicht noch eine Sache. Bauen, Schneiden und Bohren scheint den Menschen gut zu gefallen. Aber drei Viertel aller Wildbienenarten, so wie ich, erledigen ihr Brutgeschäft unter der Erde. Hierfür benötigen wir freie, trockene und etwas sandige Flächen. Auch damit kann uns ein Gartenbesitzer einen großen Gefallen tun.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, liebe Wildbienen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und für die Zukunft viele, gut durchdachte Nisthilfen in den Gärten.

Wildbienen (im Chor): SUUUMMMMM

 

Text: L. Domscheit

Literatur

Westrich, Paul (2011): Wildbienen. Die Anderen Bienen. 5. Aufl. 2015. München (F. Pfeil).

Westrich, Paul (2018): Die Wildbienen Deutschlands.– 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).

David, Werner (2016): Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen. Leitfaden für Bau und Praxis – so gelingt’s. Darmstadt (pala-verlag).