Unsere Amphibien-Begehung: der Bericht in voller Länge

Niederschrift des Panels vom 22.5.22

Welche Frösche leben bei uns? Wo gibt es Kröten, und was ist das Besondere an unseren Molchen? Mit welchen Problemen haben die Tiere zu kämpfen und was macht einen Frosch-freundlichen Garten aus? Wer das Kurz-Panel am 22.5.22 verpasst hat, kann hier die Niederschrift lesen. Für alle, die etwas mehr wissen wollen.

Lotta: Wir beide mögen unsere Gärten und freuen uns, wenn wir da Tiere sehen. Wir wollen Gärten so gestalten, dass man nicht nur erntet und grillt, sondern dass auch Wildtiere darin Platz haben. Und in die Richtung gehen ja auch einige Vereine seit längerer Zeit. Du hast dich in dem Zusammenhang aber drüber aufgeregt, dass manchmal ein wenig kopflos und wild drauflos umgestaltet wird, ohne vorher mal zu gucken: was gibt es eigentlich schon an diesem Ort und wie kann das erhalten werden.

Timm: Es ist im Naturschutz ein Dilemma, dass immer, wenn man etwas schaffen möchte, man dafür etwas anderes beseitigen muss. Dabei ist oft gar nicht bekannt, welche Arten (und Lebensräume) auf einzelnen Flächen vorkommen und welche Potentiale eine Region hat. Es werden sich dann bunt blühende Magerrasen gewünscht, an Stellen wo keine wachsen können - aber dafür vielleicht eine wertvolle Sumpfwiese zerstört. Ähnlich ist dies auch im Gartenbereich, hier werden manchmal in guter Absicht wertvolle Schätzchen beseitigt, weil keiner weiß, dass sie da sind. Im Naturschutz nennt man ein gezieltes Suchen nach Vorkommen „Monitoring“. Wir haben uns gedacht, auch für einige Wildtiere im KGV Flora ein solches Monitoring durchzuführen.

Was gibt er bereits tolles in unseren Gärten?

Lotta: Und dann kamen wir schnell auf die Amphibien, warum ist das eine Tiergruppe, auf die es sich zu schauen lohnt?

Timm:  Genau! Die Amphibien, also: Frösche, Salamander und Molche sind eigentlich klassischer Weise im Fokus des Naturschutzes. Nicht zuletzt, da sie für viele Leute zu den absoluten Sympathieträgern gehören. Leider geht es dieser Tiergruppe auch in Deutschland besonders schlecht. Viele Arten sind vom Aussterben bedroht, und selbst jene Arten, die anpassungsfähig sind und früher noch recht häufig waren, nehmen derzeit in ihren Beständen stark ab. Dies hat zum einen mit dem Klimawandel zu tun, da Amphibien für einen Teil ihrer Entwicklung im Wasser leben und durch zunehmende Trockenheit viele Kleingewässer nicht mehr ausreichend lange Wasser führen. Aber auch damit, dass Amphibien sehr komplexe Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und sowohl ein geeignetes Wasserhabitat wie auch ein Landhabitat brauchen. Und sie müssen frei zwischen den Habitatteilen wandern können. Insgesamt kann man sagen: Viele Probleme gleichzeitig setzen den Amphibien zu.

Lotta: Wir haben ja nicht von Null angefangen, sondern wussten ungefähr, was für Arten uns erwarten könnten...

Timm: Im Prinzip stehen wir hier in einer trockengelegten Flussaue. Zur Zeit des Mittelalters war es hier, wo der KGV liegt, vermutlich noch sumpfig und sehr nass. Damals sind vermutlich fast alle 19 in Deutschland flächendeckend heimischen Amphibienarten hier vorgekommen. Seither ist das Land trockengelegt worden und die meisten Flussauenarten sind verschwunden. Allerdings sind einige Amphibien sehr anpassungsfähig und kommen heute sogar bevorzugt in Gärten vor, da dort für sie absichtlich oder unabsichtlich Ersatzlebensräume geschaffen worden sind. Wir haben uns jetzt besonders auf die frühen Amphibienarten konzentriert, für die die sogenannte Krötenwanderung gut zu beobachten ist. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf den Grasfrosch gelegt, von dem wir bereits wussten, dass er im KGV Flora vorkommt, weil wir 2021 eine kleine Voruntersuchung gemacht haben.

Standardisierte Monitoring Methode

Lotta: Dieses Jahr sollte es dann systematischer vonstattengehen.

Timm:  Wir haben eine Standardisierte Monitoring Methode gewählt, indem wir die Fläche des KGV in Erfassungszonen eingeteilt haben: in Südwest 1 (SW1), Südwest 2 (SW2), Mitte, Ost 1, 2 und 3. Die Bereiche Ost haben wir schnell wieder gestrichen, weil es dort nur ein kleines Gewässer gibt. So blieben die Gebiete SW1, SW2 und Mitte.

Dann haben wir unsere Begehungen geplant und beschlossen, wann wir anfangen wollen und was vorher noch getan werden musste…

Lotta: Und dann kam plötzlich - 4 Wochen früher als geplant - die Nachricht von dir: Heute ist Froschwetter, wir müssen los. Ich habe erstmal gesagt, dass das jetzt nicht geht, weil wir planungsmäßig noch nicht so weit sind. Und hab dann den Spruch gedrückt bekommen, dass man den Fröschen halt nicht vorschreiben kann, wann sie wandern.

Timm: Wenn der Startschuss fällt, beginnt für die früh zuwandernden Amphibienarten in gewisser Weise ein Rennen gegen die Zeit und sie warten nicht darauf, ob wir alle unsere Zettel schon beisammen haben. Der Grasfrosch ist dabei ein echter Frühaufsteher. Sobald die Temperatur im Tagesmittel über 10°C steigt und die Lufttemperatur nachts auf Bodenniveau zwischen 1°C und 5°C ist, wachen die Grasfrösche aus ihrer Winterstarre auf. Sobald es die ersten frühlingshaften Regenfälle gibt, ist die Amphibienwanderung nicht mehr aufzuhalten. Als erstes erwachen die Grasfrosch-Männchen, um sich einen guten Platz im oder am Gewässer zu sichern, an dem sie rufen können. Das Laichgeschäft beginnt dann noch etwas später. Derweil füllen sich die Teiche, da auch die später aus der Winterruhe aufwachenden Arten wie Erdkröte und Teichmolch an den Gewässern ankommen. Dieses Jahr begann das Froschwetter überraschend früh, schon Mitte Februar. Temperatur und Regenvorhersage deuteten alle auf den Beginn der Amphibienwanderung hin und so war es dann auch: Wir haben am 16.2. viele Grasfrösche beobachten können.

Ein Laichballen pro Grasfrosch-Weibchen

Lotta: Dann ging alles wirklich sehr schnell. Was gab es mitzunehmen: Lampe, Klemmbrett, Erfassungsbögen, Bleistift, Kartenmaterial…

Timm: … und ein paar Süßigkeiten nicht vergessen. Das Monitoring früher Amphibien basiert vor allem auf Fundmeldungen. Das heißt, wir müssen nachts unterwegs sein, denn die Frösche und Molche sind ja – Froschwetter vorausgesetzt – nachtaktiv. Und wir müssen dann Frösche, Kröten und Molche bestimmen, zählen und alle möglichen anderen Daten aufnehmen. Mit zwei Personen sind wir natürlich nicht in der Lage, in einer Nacht die ganze Fläche des KGV abzudecken - und deshalb sind uns sicher einige Beobachtungen entgangen. Die Grasfrösche machen uns das Monitoring aber auch etwas einfacher. Die leisen knurrenden Rufe der männlichen Grasfrösche zeigen uns die Gewässer an, in denen möglicherweise auch eine Reproduktion stattfindet. Haben wir einmal einen Laichplatz entdeckt, können wir feststellen wie viele Weibchen sich dort fortgepflanzt haben, indem wir die Laichballen zählen die bereits abgelegt wurden.

Lotta: Also Pro Grasfrosch-Weibchen ein Laichballen pro Jahr?

Timm: Genau. Jedes Grasfroschweibchen produziert einen Laichballen und wandert danach wieder vom Gewässer ab. Molche sind im Vergleich dazu wesentlich aufwändiger zu erfassen, da sie stumm sind und viel einzelne Eier an Wasserpflanzen ablegen. Bei den Molchen haben wir noch kein Vollständiges Bild über die Vorkommen in diesem Jahr bekommen können.

Erste Ergebnisse

Lotta: Jetzt können wir ein paar Ergebnisse unserer Begehungen nennen. Wie viele Teiche haben wir insgesamt untersucht? Wie sind wir vorgegangen?

Timm: Insgesamt haben wir 47 Teiche anschauen können, einige (gut 10) haben wir aus verschiedenen Gründen ausgelassen, zum Beispiel weil wir zu spät von ihrer Existenz erfahren haben. In den Nächten sind wir die Gewässer abgelaufen, natürlich nicht immer alle in jeder Nacht, um die dort bereits angekommenen Amphibien zu bestimmen und zu zählen. Danke an alle Pächter:innen die uns hier unterstützt haben und auch ihre Gartentore für uns offen gelassen oder uns mit zusätzlichen Hinweisen versorgt haben.

Lotta: Und welche Arten haben wir gefunden?

Timm: Gefunden haben wir Grasfrösche, Erdkröten, Teichmolche und - was mich persönlich ein wenig überrascht hat - Bergmolche. Der Grund, warum mich das Vorkommen des Bergmolches verwundert hat ist, dass mir diese Art bisher nur von zwei Fundorten im linksrheinischen Köln bekannt war.

Grasfroschvorkommen im Flora e.V.

Lotta: Und jetzt ein bisschen genauer, Vielleicht zuerst zu den Grasfröschen: Wo tauchen die auf und was ist auffällig?

Timm: Alle Amphibienfunde im KGV Flora haben uns sehr gefreut. Der Grasfrosch war beispielsweise lange die häufigste Froschart Deutschlands, aber den Beständen geht es aktuell leider ausnahmslos schlecht, und die Art hat in jüngster Zeit so starke Rückgänge zu verzeichnen gehabt, dass sie in der Roten Liste der Tierarten Deutschlands in die Vorwarnliste hochgestuft werden musste. Im KGV Flora konnten an vielen Teichen sowohl rufende Grasfroschmännchen als auch später Laichballen festgestellt werden. Das Zentrum dieses Vorkommens liegt in der Zone SW2. Dort gibt es ausreichend gesicherte Gewässer und eine offenbar gesunde Population. Eine besondere Bedeutung für die Grasfrösche scheinen einzelne größere Teiche zu spielen. Von diesen Teichen ausgehend, scheinen sich die Grasfrösche über die Flächen auch in kleinere Gewässer auszubreiten.

Erdkröten kommen vor Allem am Appelmann-Gelände vor

Lotta: Die Erdkröten haben wir genau im anderen Teil der Anlage gefunden.

Timm: Genau. Interessant ist dabei, dass Grasfrösche und Bergmolche nur in den „Südwest“ Zonen in relevanten Stückzahlen vorkommen. Die Erdkröten nur in der Zone „Mitte“, wobei wir eine einzelne sehr große weibliche Erdkröte auch in Südwest angetroffen haben und uns zwei Pächterinnen auch Fotos mindestens einer weiteren Erdkröte in SW geschickt haben. Eine Erklärung für diese Verteilung haben wir bisher noch nicht. Erdkröten wandern jedoch oft weit zu Laichgewässern, die ihnen gefallen - und wir haben auch nur ein Jahr als Schnappschuss betrachtet.

Das letzte innerstädtische Grasfroschvorkommen Kölns?

Lotta: Wenn du zusammenfassen würdest, was ist eigentlich das für dich Tollste bzw. Wichtigste an den Ergebnissen?

Timm: Bisher haben wir zwar nur den KGV Flora Untersucht. Aber nach allem, was über die Verbreitung und den Zustand des Grasfrosches in NRW bekannt ist, könnte es sein, dass hier das letzte stabile Vorkommen des Grasfrosches im Kölner innerstädtischen Bereich besteht.

Lotta: Wir haben ja auch ein paar Dinge bemerkt, die vermutlich schlecht für die Amphibien in unserer Anlage sind.

Timm: Ja. Die Fläche des KGV ist bereits sehr stark und unwiderruflich fragmentiert und von Straßen und Zäunen durchzogen, die den Amphibien eine freie Bewegung erschweren. Die Merheimer Straße ist vermutlich der Grund, warum der langsame Grasfrosch nicht im Bereich Mitte vorkommt. Und der Radweg am Vereinsheim könnte ein Grund sein, warum wir in den anderen Zonen, die an SW 2 angrenzen, nicht mehr Grasfrösche finden. Diese Barrieren können heute nicht mehr beseitigt werden. Was wir auch gesehen haben ist, dass an fast allen Wegen des KGV eine enge und doppelte Zäunung aus Volierendraht und anderem Material existiert. Die Amphibien können diese zwar überklettern, aber oft wandern sie sehr lange an den Zäunen entlang, um einen Durchschlupf zu finden.

Das verlängert auch die Zeit, die die Tiere sich auf der Straße und den Wegen aufhalten und durch Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger überfahren oder getreten werden können. Im Bereich Mitte haben wir einige Erdkröten beobachtet, die immer wieder versucht haben, durch den Zaun zu schlüpfen, aber zwischen den Zaunschichten hängen geblieben sind. Für die „Huckepack-Pärchen“ sind diese Zäune unüberwindlich, und die Tiere müssen sich einen anderen Weg oder sogar ein anderes Laichgewässer suchen.

Probleme der Amphibien

Lotta: Ein anderes Problem ist der Besatz einiger Teiche mit Goldfischen.

Timm: Die Goldfische und andere gebietsfremde Zierfische wie Farbkarpfen (Kois) sind ein zweischneidiges Schwert. Zum einen würden die Gewässer in den KGVs ohne das Interesse an den Fischen oft nicht existieren - und besonders die großen Betonteiche waren früher vermutlich alles Fischteiche. Allerdings sind die Goldfische Fressfeinde der Amphibienbrut und der Larven. Die Frösche verlieren viele Eier und Kaulquappen an die hungrigen Fische. Und die Molche verlassen meist mit Fischen besetze Gewässer, ohne sich dort fortzupflanzen. In Zeiten, in denen es immer weniger geeignete Gewässer gibt, werden die Möglichkeiten für die Amphibien aber immer knapper.

Weitere Probleme entstehen, wenn z.B. die Nahrung der Amphibien wie Schnecken getötet werden. Sie nehmen dann mit der Nahrung Gift auf, welches sich in den Amphibien ansammelt und sie töten kann. Ein weiteres Problem entsteht, wenn unbeaufsichtigte Rasenmäher (Roboter) Amphibien häckseln.

Freie Bahn für Wilde Tiere!

Lotta: Um auf die Anfangsfrage zurück zu kommen. Wir haben jetzt festgestellt, hier leben schützenswerte Tiere. Welche Tipps hättest du für Pächter:innen, um ihren Garten Frosch-freundlicher zu gestalten?

Timm: Wildtier-freundliche Gartengestaltung ist hier ein Zauberwort, das mir gefällt. Durch das Anlegen von Säumen (also Übergangsbereichen zwischen zwei Sorten von Lebensraum wie einem Rasen und dem angrenzenden Beet), durch das Belassen von Versteckmöglichkeiten für Kleintiere (z.B. durch Totholz oder auch einfach durch ein paar liegen gelassene Steine, Ziegel oder Blumentöpfe) kann man Wildtieren schon viele Rückzugsmöglichkeiten anbieten. Das andere, was helfen würde, ist: unnötig feinmaschige und doppelt bis dreifache Zäunung entfernen!

Lotta: Jetzt könnte ja schnell wer auf die Idee kommen, Laich von einem in den nächsten Teich oder aus dem Wald in die Anlage zu tragen. Dann hätten wir mit unserem Projekt eigentlich das Gegenteil von dem erreicht, was wir wollten, oder?

Timm: Bitte nicht! Zum einen ist es nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten, wildlebende Tiere und ihre Entwicklungsformen (das beinhaltet auch Eier und Larven) aus ihren natürlichen Lebensräumen ohne entsprechende Genehmigung zu entnehmen (man macht sich strafbar!). Zum anderen ist es gefährlich, man kann damit Wildtierkrankheiten verschleppen. Amphibien können beispielsweise Pilzerkrankungen haben, von denen manche ganze Bestände dahinraffen. Oder man bringt Arten und Populationen zusammen, die nicht miteinander kompatibel sind. Wenn eine Art an einem Ort nicht vorkommt, so hat dies meist einen ökologischen Grund. Und dieser (z.B. eine Wanderbarriere, ungeeignete Lebensräume etc.) muss erst behoben werden, bevor man wissenschaftlich begleitete Umsiedlungen planen kann.